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Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück:

Der Quallennebel (IC 443)

(Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Februar 2018)

Die Fotografie, insbesondere die Reisefotografie ist für mich schon seit Kindertagen ein reizvolles Beschäftigungsfeld gewesen. So waren es auch Fotos von Sternen, der Milchstraße und kosmischen Nebeln, so genannten Deepsky-Objekten, die vor knapp drei Jahren dazu führten, dass ich begann, mich mit der Astronomie zu befassen. Von Anfang an war klar, dass es auf die Astrofotografie hinauslaufen würde. Dieser Unterbereich innerhalb der Amateur-Astronomie ist für mich besonders interessant und vielfältig. Er lässt sich zunächst mit relativ einfachen Mitteln betreten und später immer weiter erobern.

Ein typisches Diskussionsthema in unserer Astronomischen Arbeitsgruppe des NVO (Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück) ist die Wahl der Kamera. Bei uns lässt sich das am einfachsten in vier Anwender-Gruppen einteilen:

1. DSLR
2. DSLR mit Astromodifikation (kein naher Infrarot-Blockfilter)
3. Astrokamera mit CMOS-Sensor (farbig oder monochrom)
4. Astrokamera mit CCD-Sensor (monochrom, gekühlt)

Ohne an dieser Stelle näher auf die Vor- und Nachteile dieser Kameratypen eingehen zu wollen, werde ich mich aufgrund der hohen Lichtempfindlichkeit und –dynamik letztlich für die Anschaffung einer CCD-Kamera entscheiden. Daher möchte ich vorher gerne testen, was mit einer unmodifizierten DSLR überhaupt noch machbar ist. Dabei sollen aber nicht die üblichen Deepsky-Objekte wie Plejaden (M45), Orionnebel (M42) oder Andromeda-Galaxie (M31) herhalten, sondern ein im Februar von meinem Balkon westlich von Osnabrück aus gut zu verfolgendes Objekt mit erheblich geringerer Leuchtkraft ins Visier genommen werden.

Die oben genannten Objekte besitzen scheinbare Helligkeiten von etwa 1,6 mag, 3,7 mag bzw. 3,5 mag. Die scheinbare Helligkeit beschreibt, wie hell ein Himmelskörper von der Erde aus erscheint und wird als Zahl mit dem Zusatz Magnitude (mag) angegeben. Je größer die Zahl ist, desto dunkler ist das Objekt. Da diese Skala logarithmisch definiert wurde, entspricht der Unterschied einer Magnitude einem Helligkeitsfaktor und nicht einer -differenz. Bei 5 Magnituden (z.B. von 6 mag auf 1 mag) besteht per Definition ein Helligkeitsunterschied um den Faktor 100. Damit bedeutet eine Magnitude ein Helligkeitsfaktor von etwa 2,51. Je nach Himmel können mit dem Auge noch Objekte mit 4 bis 6 mag wahrgenommen werden, unter seltenen Idealbedingungen auch Sterne darunter.

So fällt meine Wahl auf den Quallennebel (IC 443) im Sternbild Zwillinge. Mit einer scheinbaren Helligkeit von 12 mag ist seine Flächenhelligkeit um mehr als den Faktor 1/2080 geringer als die des Orionnebels. Es reizt mich, dieses lichtschwache Deepsky-Objekt mit meiner in die Jahre gekommenen EOS 7D abzulichten. Es entsteht dieses Bild.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Ich verwende das Teleskop FSQ-85ED von Takahashi mit einer Brennweite von 450 mm und 85 mm Öffnung. Die Gesamtbelichtungszeit beträgt 23x5min=115min. Dazu kommen noch 60min Darks und 13 Bias-Aufnahmen. Die Empfindlichkeit ist auf ISO 400 eingestellt, da das Rauschen sonst zu stark wird.

Die vielen Sterne sind noch bis in die Bildecken erstaunlich scharf, wie die folgende pixel to pixel-Darstellung zeigt.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Oben links ist die gezeigte Ausschnittsposition innerhalb des Gesamtbildes zu sehen. Die Pixelauflösung beträgt 2,0 Bogensekunden.

Der besondere ästhetische Reiz dieses Himmelsausschnitts mit einer Bildbreite von 2,8° liegt für mich in den unterschiedlichen Färbungen des Nebels und der Sterne.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Die beiden dominanten Sterne sind Mu und Eta Geminorum, welche den Fuß des rechten Zwillings Castor bilden. Tejat und Propus, wie sie auch genannt werden, sind rote Riesen mit einer Oberflächentemperatur um 3700 K. Sie brennen heller und kühler als die Sonne. Dadurch erscheinen sie nach dem Wienschen Verschiebungsgesetz rötlich-orange.
Nordwestlich des Quallennebels liegt eine als S249 bezeichnete H-II-Region. In dieser interstellaren Wolke aus ionisiertem atomarem Wasserstoff entstehen neue Sterne, die besonders heiß brennen und deshalb bläulich erscheinen. Dazu gehört z.B. 12 Geminorum.
S249 steht in physikalischer Wechselwirkung mit IC 443, dem Quallennebel. Hierbei handelt es sich um einen Supernova-Überrest, der etwa 5.000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt und einen räumlichen Durchmesser von etwa 70 Lichtjahren aufweist. Der Zeitpunkt der Supernova ist sehr unsicher. Die Schätzungen gehen von 5.000 bis 100.000 Jahre. Hingegen ist man sich einig, dass aus dem ehemaligen Stern ein Neutronenstern entstanden ist, der sich mit etwa 800.000 km/h vom Explosionsort wegbewegt. Die überwiegend rote Farbe des Nebels rührt von den angeregten neutralen Wasserstoffatomen her (H-alpha), wie es für Emissionsnebel typisch ist.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Das radialsymmetrische Beugungsmuster sehr heller Sterne wie hier von Tejat ist typisch für den FSQ-85ED, aber nicht so auffällig wie die Spikes von Newton-Teleskopen.
Die Bildverarbeitung erfolgt ausschließlich durch PixInsight, womit u.a. eine fotometrische Farbkalibrierung möglich ist. Etwa 750 Sterne sind mit den Farbtemperaturen aus dem AAVSO Photometric All-Sky Survey Sternekatalog abgeglichen worden. D.h. der Weißabgleich erfolgt nicht subjektiv, sondern entspricht professioneller Messungen. Das Ausmaß der Farbsättigung ist dagegen wieder eine Frage des Geschmacks.

Für meine eigentliche Untersuchung lässt sich feststellen, dass die Möglichkeiten einer unmodifizierten DSLR für Astrofotos nicht schlecht sind, aber doch ihre Grenzen haben. Von der „Qualle“ ist fast nur der obere Rand zu sehen, der mittlere Bereich und die „Tentakel“ fehlen hingegen. Auch die nordwestliche Region S249 zeigt kaum H-alpha-Belichtung.

Ich versuche nun, das Ergebnis mit einer längeren Belichtungszeit und einem größeren Refraktor zu verbesseren. Zum Einsatz kommen das TOA-130F mit Reducer TOA-35 von Takahashi. Die resultierende Brennweite ist nun 698 mm und die Öffnung beträgt 130 mm. Das Endergebnis sieht so aus:

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Das Bildfeld beträgt nur noch 1,8° mit einer Pixelauflösung von 1,3 Bogensekunden. Die Belichtungszeit liegt bei 59x3min=177min. Ebenso werden wieder die 60min Darks und 13 Bias-Aufnahmen von oben verwendet. Die durchschnittliche Sensortemperatur der ungekühlten EOS beträgt 10°C.

Die nächste Abbildung zeigt die rechte untere Ecke in pixel to pixel-Auflösung.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Mit fast 3 Stunden Belichtungszeit, größerer Öffnung, aber auch kleinerem Himmelsausschnitt ist hier etwa 2,3 mal soviel Licht auf den Sensor gefallen wie beim FSQ. Die Belohnung stellt sich durch das Sichtbarwerden der „Tentakel“ ein. Auch die Strukturen der verschiedenen Schockwellen verdeutlichen sich.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Die beiden weißen Linien deuten die Position des Neutronensterns an. Optisch ist davon natürlich nichts zu sehen. Der Nachweis erfolgte aber durch Radio- und Röntgendaten.
Die komplexe Morphologie des Nebels rührt daher, dass der massereiche Stern relativ schnell ausbrannte und noch innerhalb der Molekülwolke, die ursprünglich zu seiner Entstehung geführt hatte, explodiert ist. So interagierten die sich ausbreitenden Supernova-Überreste mit dieser Wolke. Im östlichen Teil des Nebels ist die Molekülwolke offenbar sehr dicht und inhomogen, wodurch die Ausdehnung einen Kompressionseffekt erfährt. Die Ausdehnung nach Westen hingegen ist aufgrund einer weniger dichten Umgebung übertrieben und gleichmäßiger.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Besonders gut gefällt mir, dass der CMOS-Sensor mit dem sehr hellen Stern Propus klarkommt. Häufig hat man bei hellen Sternen, die innerhalb des Bildausschnitts liegen, das Problem, dass der Helligkeitsgradient ausgefressen aussieht oder weite Teile des umgebenden Bildbereichs in Mitleidenschaft gezogen werden.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Abschließend möchte ich sagen, dass man mit einer DSLR bereits gute Astrofotos erstellen kann, wenn die weitere Bildverarbeitung stimmt. Allerdings gibt es sehr viele reizvolle Deepsky-Objekte, die fast ausschließlich im nahen Infrarotbereich liegen und ohne Astromodifikation sehr lange Belichtungszeiten benötigen; so auch hier der H-alpha-Bogen, der fast komplett untergeht.

Der Quallennebel (IC 443), Aufnahme Burkhard Lührmann, Febr. 2018

Jedenfalls freue ich mich auf die CCD-Kamera.




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